Interview mit Gesellschafter
Hermann Meyer-Toms
Biolandhof Meyer-Toms
Kiebitzheideweg 6
27327 Schwarme
Im ehemaligen Urstromtal der Weser im kleinen Örtchen Schwarme liegt der Bioland Hof Meyer-Toms. Seit Jahrhunderten in Familienbesitz, ist der Hof heute nicht „nur“ ein landwirtschaftlicher Betrieb, auf dem viele verschiedene Gemüse-Sorten angebaut werden, sondern als Kultur- und Begegnungsstätte weit über die Grenzen von Schwarme hinaus bekannt. Die Atmosphäre lässt sich nicht beschreiben, man muss selbst mal an einem lauen Sommerabend mit Freunden mitten auf dem Hof gesessen und einem Konzert oder einer Lesung gelauscht haben. Bei Regen werden die Veranstaltungen kurzerhand unter das Gewächshausdach verlegt und das urige Hofcafé lädt nicht nur im Winter zum gemütlichen Verweilen ein.
Hermann, Du hast 1991 das NKK mitgegründet und bist seitdem einer unserer Hauptlieferanten. Nächstes Jahr findet die große Jubiläumsfeier statt. Gibst Du dann zur Feier des Tages ein paar Stücke auf dem Akkordeon zum Besten so wie sonst bei Dir auf dem Hof?
Hermann Meyer-Toms: (lacht) Na, also ich bin kein besonders begnadeter Akkordeonspieler, aber wenn es auszuhalten ist, kann ich zu dem Anlass gerne ein paar Stücke spielen. Nach drei Glas Wein – die muss aber dann nicht ich trinken, sondern die anderen!
Du machst auf Deinem Hof aber nicht nur Musik.
Nein, das stimmt. Ich finde es total wichtig, mich auch hier im Dorf zu engagieren und dass ich ab und zu bei Veranstaltungen auch mal Musik mache, ist irgendwie auch Ausdruck dessen, dass ich nicht nur Interesse an der Landwirtschaft habe, sondern mich in vielen Bereichen einbringen möchte. Ich bin ja auch politisch ein bisschen engagiert, und hier im Dorf Kleinigkeiten zu bewegen ist mir wichtig. Die jungen Leute sagen ja auf dem Land gerne mal, das nichts los sei und das war bei uns im Ort auch so. Und es hieß dann auch „Ein Café lohnt sich nicht!“ Ich hab es dann einfach gemacht, und so ist das mit vielen Sachen, ob Musikveranstaltungen oder unserer Öko-Meile. Wie beim Bio-Anbau früher ist es oft so gewesen, dass es hieß: „Die sind ja verrückt.“ Hinterher freuen sich dann die meisten und viele sind gerne auf unserem bunten Hof.
Wann hast Du den Hof denn eigentlich übernommen?
1981 hab ich angefangen, den Hof zu bewirtschaften. Ich bin hier auf dem Hof geboren und aufgewachsen. Ich bin quasi ein richtiges Bauernkind. Meine Eltern haben den Hof bewirtschaftet, es war ein Hof wie alle anderen damals auch. Auf viele Standbeine gestellt, wir hatten Pferde und Hühner, Kühe, Mastrinder, Mastschweine und Sauen, Enten und Gänse, alles was man eben hatte auf einem Bauernhof. Da war ja niemand so spezialisiert wie heutzutage. Die kleinen Betriebe fielen aber dann immer mehr hintenüber, alles wurde rationalisiert und unser Hof war nicht gerade der größte im Ort. Ich bin dann für ein paar Jahre nach Hildesheim gegangen um irgendwas zu studieren, was wusste ich noch nicht genau. Am Wochenende war ich meistens zu Hause, in den Ferien auch. Dann hat mein Vater mich gefragt, ob ich den Hof weitermachen wollen würde. Wenn ich weitermachen würde, würde er nochmal einen neuen Traktor kaufen. Der Kopf war dann vielleicht für andere Sachen, die hätten mir bestimmt mehr Geld gebracht und wären einfacher gewesen, aber das Herz, wenn ich mir dann vorgestellt habe, es gäbe den Hof dann nicht mehr so in der Art, das wollte ich nicht. Ich hab das auch nie bereut. Natürlich habe ich viele harte Enttäuschungen erlebt und schwere Zeiten hinter mir, aber ich habe es alles überstanden und ich habe das Gefühl, im Leben etwas tolles, etwas sinnvolles gemacht zu haben.
Dein Hof ist auffallend grün, farbenfroh, lebendig und auch nicht nur auf Leistung getrimmt. Allein die Einfahrt und den Blick auf das Hofcafé empfinden Besucherinnen und Besucher als sehr einladend.
Ja, das war mir immer besonders wichtig. Ich bin genauso Künstler wie ich Landwirt bin. Wäre ich strengerer Betriebswirt und würde mich nur auf den Ertrag fokussieren, würde es hier natürlich anders aussehen. Als ich den Hof übernommen habe, war hier auch noch alles leergefegt und aufgeräumt und es gab nur die Kastanie und das war`s, keine Blumen oder so. Man würde sagen es war alles „clean“. Und dann habe ich einen anderen Hof besucht, und der Hof sah toll aus, da war alles grün und blühte und wuchs. Das war das Leben, das war wie im Paradies! So wollte ich meinen Hof auch haben! Und dann habe ich über die Jahre mein eigenes Paradies geschaffen. Ich finde es wunderbar hier bei uns, man kann hier wirklich ganz wunderbar leben. Ich empfinde es auch als Privileg, dass ich genau da arbeiten darf, wo ich lebe und dass es dann auch noch so ein schöner Ort ist.
Ganz besonders schön sind die Abende bei euch auf dem Hof, ob mit oder ohne Konzert.
Das stimmt. Ein Abend auf dem Land ist ja sowieso einfach sehr idyllisch. Die Bremerinnen und Bremer sagen immer als erstes „Mensch, was kann man hier die Sterne gut sehen! Den Mond sieht man ja in Bremen auch, aber die Sterne sind so klar!“. Hinzukommt, dass unser Hof abseits von allem liegt, wir stören hier niemanden, ich kann auch spätabends Musik machen und niemand ärgert sich. Abends hat man die Natur pur. Die Nachtigall, der Igel, das Käuzchen, die Fledermäuse, das ist schon etwas ganz besonderes für mich.
Und wie fängt Dein Tag an?
Naja also ich habe meine Rituale. Die Mitarbeiter bei mir fangen gegen 09.00 Uhr an zu arbeiten. Für einen Bauernhof ist das ganz schön spät, aber wir machen das eben so. Ich selbst fange so gegen 07.00 Uhr an, mir mein Frühstück zu machen. Ich trinke den Grüne Harmonie Tee und esse jeden Morgen Haferbrei mit vielen Nüssen, fürs Gedächtnis. Außerdem lese ich zwei Zeitungen, die örtliche und den Weser Kurier, das ist mein Morgenritual. Ich sitze dann im Hofcafé und brauche so meine Zeit. Von dort habe ich alles im Blick, der Hof erwacht langsam, ich sehe, ob der Zeitungsbote schon da war, die Kinder vom Hof machen sich auf den Weg zur Schule, manchmal kommen die ersten Kunden und fragen, ob sie schon was kaufen können. Und ich kann das alles aus der Distanz, in Ruhe, betrachten und langsam in den Tag starten. Ich bin in der Welt schon drin, aber brauche noch nicht hundertprozentig wach zu sein. Das finde ich schön.
Das hört sich wirklich sehr schön an. Wie kam es überhaupt, dass Du Dich für Bio-Anbau entschieden hast?
Ich kam zu Bio, weil ich die Erfahrungen gemacht habe, die man bis heute in den Schlagzeilen liest. Als ich angefangen habe, den Hof zu bewirtschaften, habe ich erstmal alles umgekrempelt und Top-Agrar-mäßig rationalisiert (Top Agrar ist die führende Agrar-Fachzeitschrift). Wir haben uns auf Schweine spezialisiert und die Kühe abgeschafft. Wir hatten dann die empfohlene große Menge an Schweinen, aber die wurden dann natürlich regelmäßig krank auf der kleinen Fläche, auf der sie lebten. Dann mussten wir sie mit Medikamenten behandeln, jeder weiß ja aber nun auch wie sich das auswirkt auf unser Wasser und diese Tierhaltung auf unsere Umwelt. Wir haben da wirklich sehr unschöne Erfahrungen gemacht. Fünf Jahre habe ich das durchgehalten, auch die Preisschwankungen und wie sehr man dem Markt ausgesetzt ist. Dann gab es eine Veranstaltung von Hipp, die wollten Babynahrung in Bio-Qualität anbieten. Ich war sowieso viel mit alternativen Leuten zusammen aus der Anti-Atomkraft-Bewegung. Darüber bin ich dann damals an diese alternative Landwirtschaftsform „Bio“ geraten und das war für mich der erste Schritt. Damals dachte ich noch, dass ich aufgrund der kleinen Fläche gar nicht auf die Schweine verzichten kann. Ich wollte so aber nicht weitermachen und habe mich mit der Zeit dann in den Gemüse-Anbau reingefuchst. Erst Industrie-Gemüse für Saftproduzenten und später dann Vermarktung in Bremen über Coops und Einkaufsgemeinschaften und dann haben wir das Naturkost Kontor gegründet. Mittlerweile haben wir viele Veränderungen erlebt, aber unsere nachhaltige Arbeitsweise hat Bestand.
Es gibt NKK-Kundinnen und Kunden, die wollen nur Eure Produkte, wenn es sie gibt. „Wenn es Porree von Hermann gibt, dann den! Egal wieviel er kostet oder wie er aussieht!“ heißt es dann. Etwas Besseres kann einem doch eigentlich nicht passieren als Landwirt oder?
Das ist wirklich ein tolles Gefühl. Ich bin schon auch immer ein bisschen skeptisch und kann das eigentlich gar nicht so ganz glauben, aber wenn es so ist, dann gibt`s ja wirklich nichts Besseres. Und dann müsste sich der Kreislauf noch schließen, wir haben ja Hoffeste, oder den Tag der Regionen, oder mal eine Hofführung, da müsste der Laden oder der Marktstand den Hof mit dem ganzen Hintergrund besuchen und uns kennenlernen und sehen, wie der Porree angebaut wird oder die anderen Produkte und wie wir leben. Bei Porree höre ich das nicht so oft, das wird mir eher erzählt, aber bei Kartoffeln passiert mir das tatsächlich häufig, dass Menschen extra zu uns fahren um Kartoffeln zu kaufen.
Glaubst Du, jemand, der noch nie Porree angebaut hat, kann sich vorstellen, wie viel Arbeit drinsteckt, bis er im Verkaufsregal liegt?
Ich hatte mal ein Erlebnis, bei einer Hofführung, die waren allesamt fassungslos, wieviel Arbeit da drin steckt. Im konventionellen Bereich wird natürlich viel mehr Porree geerntet als bei uns. Bio Porree wächst langsamer und wird nicht so stark gedüngt und schmeckt dadurch auch viel besser. Unser Porree ist auch etwas milder und süßer und bläht nicht so sehr. Pro Kiste sind es 150 Jungpflanzen, ganz dünne Stängelchen, die dann alle entwirrt und ordentlich in eine Kiste gelegt werden müssen. Dann wird jede einzeln in die Pflanzmaschine gelegt und wir pflanzen 40.000 – 50.000 Pflanzen pro Hektar. Steter Tropfen höhlt den Stein, ist die Devise. Wenn man von weitem guckt, denkt man: „Das schaffen wir nie!“ aber wenn man dann einfach anfängt und es im täglichen Ablauf macht, dann ist es auch irgendwann fertig. Dann wird jeder Porree bei uns einzeln mit der Hand aus der Erde gezogen und in die Putzmaschine gelegt. Danach kommt nochmal der Mensch dran und erledigt die Feinarbeit und wäscht ihn nochmal, damit der Porree dann auch wirklich gut aussieht. Der Porree in der Kiste sieht dann ja auch wirklich gut aus, das macht dann richtig Spaß. Und er ist gesund angebaut, ohne Boden, Wasser oder Luft zu verschmutzen.
2021, exakt 40 Jahre nachdem die Agrarberater Dir geraten haben, konventionelle Schweinemast zu betreiben und Du dich wenig später entschieden hast, dass Landwirtschaft so nicht funktionieren kann und darf, gibt es eine Kooperation von Bioland mit Lidl.. Du bist selbst Bioland Bauer. Sind wir jetzt einen Schritt weiter oder eher fünf zurück?
Tja, das eine will man und das andere kann man, fürchte ich. 40 Jahre später ist Bio angekommen, das denke ich schon. Das ist ja schon ein Erfolg, dass viele jetzt einen anderen Weg gehen. Selbst Niedersachsen will ja jetzt die 25% Bio Anteil durchsetzen. Bio ist kein Fremdwort mehr, alle wissen, dass wir keine Spinner sind. Es wäre natürlich sehr romantisch, wenn jetzt alle Menschen im Hofladen einkaufen gehen und niemand geht mehr in den Supermarkt oder in den Discounter. In unserer Gesellschaft funktioniert das bisher aber nicht. Wir liefern ja über das Naturkost Kontor auch an einzelne Edeka oder Rewe Filialen. Die ewige Preisdrückerei ist ein Problem, aber wenn die inhabergeführten Filialen beim Naturkost Kontor einkaufen und uns genau wie die anderen auch genau das bezahlen, was wir für die Ware brauchen, ist es immer noch etwas anderes, als wenn eigene Billig-Discounter-Linien entwickelt werden. Natürlich ist das eigentlich nicht der Weg, den wir uns ursprünglich erträumt hatten, dass die Discounter sich jetzt als Bio oder Öko oder „besonders nachhaltig“ verkaufen. Am schlimmsten sind aber diese Augenwischerei-Produkte, die nicht kontrolliert werden, sich aber super anhören: „naturnahe Haltung“ oder „aus kontrolliertem Anbau“, das kann man einfach überall draufschreiben und da steht nichts dahinter. Mir ist wichtig, dass man ehrlich ist und sich nicht verbiegt, man sollte sich selbst treu bleiben.